mainstreet Hillsborough

Die meisten einschlägigen Reiseführer vermelden, dass Carriacou höchstens für einen Tagesausflug von Grenada aus taugt: Morgens mit der Fähre hin, am Nachmittag mit dem Flieger wieder zurück, und wenn es denn sein muss, kann man auch eine Übernachtung in Erwägung ziehen. Erwähnenswert für Carriacou gelten meist nur Sandy Island, das provinzielle Flair und die vielen Rumshops.


Vieles können Sie glauben. Gemessen an jenen Orten, zu denen Touristen meistens pilgern, ist auf Carriacou tatsächlich tote Hose. Shoppingmeilen sucht man hier vergebens, an den Stränden stolpert man auch nicht über seinen Nachbarn oder seine Nachbarin und Souvenirs werden hier an wenigen Straßenständen verkauft. Kein Mensch käme auf die Idee, einem Touristen mit irgendwelchem Zeug hinterherzulaufen, geschweige denn den Strand abzulatschen, um jemandem etwas aufzuschwatzen.

 

 

  Die meisten „Shops“ sind hier tatsächlich Kneipen, in denen der berüchtigte "Jack Iron" über die Theke geht (liebevoll kurz "Jack" genannt). Und nur aus Gründen der Nächstenliebe sei hier verraten, dass der „Jack“, der über den Kneipentresen geht, außer dem Namen nichts mit der gleichnamigen Rum-Marke zu tun hat, die man im Supermarkt erstehen kann. Den „echten“ Jack erkennt man daran, dass Eiswürfel im Glas nicht schwimmen, sondern untergehen. Und, wie unsere verstorbene Insel-Historikerin Frances Kay erzählte: „Sie werden dir sagen, dass du niemals am nächsten Morgen Kopfweh kriegen wirst vom Jack. Was sie nicht erwähnen ist, dass du vermutlich keinen Kopf mehr hast!“
Rumshop

Sandy Island

Wer mit der Fähre anreist und noch einen Kopf hat, sieht kurz vor dem Anlegen „Sandy Island“. Für einige Jahre konnte man die Postkartenidylle vergessen, denn nach zwei Hurricanes und einigen Tropenstürmen war nicht mehr viel übriggeblieben und das Inselchen kahl. Inzwischen sind viele der zweihundert Palmen, die neu angepflanzt wurden, schon meterhoch gewachsen. Offensichtlich haben die Kuhfladen, die laut Marius jeder Palme zum Start mitgegeben wurden, ordentlich gewirkt. Es gibt also wieder lauschige, schattige Plätze auf der Insel mit Robinson-Feeling, jede Menge Möglichkeiten, um eine Hängematte aufzuspannen und sogar einen Tisch mit Bänken fürs Picknick. Und die Fische, die sich in den Riffen rings um diese Insel tummeln, machen jeden Ausflug lohnend.

 

  Was das provinzielle Flair angeht: Ja, sicher! Hier grüßt man sich, hupt sich zu, der Busfahrer bringt alte Menschen mit ihren Einkäufen bis zu ihrem Häuschen, am Strand wird jedem neuen Badenden zugewunken, ob man sich nun kennt oder nicht. In den Kneipen wird man häufig anderen wildfremden Menschen vorgestellt, damit man nicht so alleine hockt. Mindestens ein Mal täglich fragt ein Einheimischer, ob es einem gefällt, ob man sich wohlfühlt und ob man nicht auch denke, dies sei der schönste Platz auf der Welt. Schon nach kurzer Zeit wird man liebevoll „Darling“ genannt, und wer dem Jack erliegt, wird durchaus heimbegleitet, damit nichts passiert.

Infos

carriacoupetitemartinique.com

grenadagrenadines.com

drums in der lambi queen Ansonsten werden die Gäste sich selbst überlassen, niemand fühlt sich bemüßigt, den Animateur zu spielen. Man muss sich also schon selbst aufraffen und Eigeninitiative ergreifen. Dann wird man auch schnell feststellen, dass zumindest zwischen November und April, aber auch rund um Pfingsten und Anfang August an jeder Ecke was los ist. Genießen Sie die Band  am Freitagabend in der Tyrell Bay im Lambi Queen, holen Sie sich ein chicken beim Old Rum Shop, versuchen Sie bei Swampy, hinter die Geheimnisse des Dominospiels zu kommen (ist gar nicht so einfach), oder legen Sie sich einfach in die Hängematte bei Curtis Bar "Off the Hook" am Paradise Beach. Wochenends finden die Partys statt, und inzwischen fahren auch zumindest am Wochenende abends Busse, die gezielt die gebotenen Sensationen anfahren.  

Strand

Man muss in Carriacou nicht die Flaschen buckeln, um sich wie Mike Nelson oder Hans Hass fühlen zu dürfen (das ist natürlich nur für Ü 60 verständlich, kann man aber googeln). Wenn Sie Glück haben, begegnen Sie mit Schnorchel und Maske auch schon mal direkt am Strand einem Rochen oder gar einem Barracuda. Aber keine Bange, der tut Ihnen nichts. Normalerweise müssen Sie sich für solche Begegnungen auch von einem der freundlichen fishermen rausfahren lassen, entweder zu einer der Inseln oder zum "Anse la Roche".  Für Schnorchler gibt es jede Menge zu sehen: Papageien- und Doktorfische, Juwelenbarsche und Schnapper, Muränen und Fischschulen, und ab und zu auch eine Meeresschildkröte. Das alles können Sie schon in den kleinen Riffen zweihundert Meter vom Strand entfernt bewundern. Nochmal spannender wird es natürlich bei einem Tauchgang.


Langweilen muss man sich also bestimmt nicht. Aber der Reiseführer hat natürlich Recht: Carriacou ist nicht Grenadas Grand Anse. Carriacou ist die Insel, auf der Sie spätestens nach ein paar Tagen merken, dass Einstein völlig recht hatte: Zeit ist relativ. Sie liegen gemütlich am Strand, lesen ein Buch und nichts passiert. Sie schauen zwischendurch mal raus aufs Meer, bemerken am Horizont ein Schiff, das über das Wasser kriecht und wenden sich wieder Ihrem Buch zu. Klar, nach ein paar Minuten schauen Sie noch mal nach, was denn da inzwischen passiert ist (so sind wir's gewöhnt, man will ja nichts verpassen) und das Schiff ist ein Stück weitergekrochen. Das wiederholt sich, aber irgendwann einmal ist es verschwunden. Und Sie wundern sich, wo es denn abgeblieben ist - so schnell  ...


Aber vielleicht sind Sie ja genau deswegen nach Carriacou gekommen.

fischschwarm
  .... schlafen